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Wie kann man so einen nur verteidigen?

Diese oder ähnliche Fragen werden einem als Strafverteidiger regelmäßig gestellt. Oft wird diese Frage in Bezug auf Kinderschänder, Mörder oder ähnliche Verbrecher gestellt. Die Antwort hierauf ist eigentlich recht einfach, dennoch lohnt es sich etwas näher mit dieser Frage zu beschäftigen, insbesondere deshalb, weil hier viele Missverständnisse bestehen. Zunächst einmal steht jedem Menschen ein Anspruch auf ein faires Verfahren zu.

In der Regel suchen Betroffene einen Strafverteidiger auf, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat in Gang gesetzt wurde. Das bedeutet, es besteht zunächst einmal ein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten. Ob es sich bei dem Mandanten also um einen Kinderschänder oder Mörder handelt, weiß ich nicht. Häufig kommt diesbezüglich der Einwand: „Aber was ist, wenn der Mandant zugibt, dass er schuldig ist“. Auch dann weiß ich noch nicht, ob derjenige die Tat tatsächlich begangen hat. Auch ein Geständnis ist nur ein Indiz für die Tat. Es kommt öfter vor als man denkt, dass Menschen Taten gestehen, die sie nicht begangen haben. Sei es, um eine nahe stehende Person zu schützen oder weil derjenige von Dritten unter Druck gesetzt wird. In jedem Fall gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Bis dahin gilt der Betroffenen als unschuldig und muss auch so behandelt werden.

Grundsätzlich ist es so, dass jeder in die missliche Lage kommen kann, einer Straftat bezichtigt zu werden. In dieser Situation ist jeder Beschuldigte froh, wenn für ihn die Unschuldsvermutung gilt und ein Strafverteidiger darauf achtet, dass seine elementarsten Rechte gewahrt werden. Ein Ermittlungsverfahren kann schwerwiegende Auswirkungen für den Beschuldigten haben. Untersuchungshaft, Durchsuchungen, Beschlagnahme, Arrestanordnungen: Alles Maßnahmen, welche zu erheblichen existentiellen Problemen eines Beschuldigten -also eines eigentlich als unschuldig zu behandelnden Menschen- führen können. Deshalb ist es für mich eine erfüllende, aber auch moralische Aufgabe für die Unschuldsvermutung und die Rechte des Beschuldigten zu kämpfen. Strafverteidigung ist eine Aufgabe mit Verfassungsrang. Ohne diese würde jeder Verurteilung die rechtstaatliche Legitimation fehlen.

Bleibt noch zu klären, ob man es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, wenn ein Schuldiger freigesprochen wird. Die Antwort auf diese Frage lautet für mich: Ja. Es ist eben Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden Beweise beizubringen, um zu einer Verurteilung zu kommen. Gelingt dies nicht, ist der Freispruch die logische Konsequenz. Ich möchte  nicht in einem Staat leben, der Menschen aufgrund vager Verdachtsmomente verurteilen kann. Auch deshalb ist Strafverteidigung eine ehrenhafte und wichtige Aufgabe.

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